Wiblingen... der Sozialraum will gemeinsam stark werden...
07. September 2019
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Gemeinsam stark werden
Soziales Viele Ideen wachsen unter dem Dach des Demokratie-Projekts in Wiblingen: Sie bringen unterschiedlichste Menschen zusammen, junge und alte. Von Verena Schühly
emokratie, das ist im Großen ein hehres Wort in Zusammenhang mit politischen Systemen oder gesellschaftlicher Ordnung. Im Kleinen ist Demokratie ganz konkret. Wenn sich Menschen austauschen, besser verstehen und Vorurteile abbauen: „Weil das den Gemeinsinn stärkt, gegen Ausgrenzung wirkt und unsere Vielfalt deutlich macht“, sagt Isabel von Prollius. Sie ist eine der Verantwortlichen des Projekts „Partnerschaft für Demokratie in Wiblingen“, das derzeit läuft und dessen Ziel eine Vernetzung der Akteure im Stadtteil ist.
Viele Mosaiksteine ergeben dabei ein buntes Gesamtbild. So ist beispielsweise ein Film entstanden, in dem sechs Wiblinger Bürger mit Migrationshintergrund ihren Werdegang erzählen und wie sie selbst an ihrer Integration mitgearbeitet haben. „Die Botschaft ist: Egal, wer oder was du bist, du kannst es schaffen, wenn du dein Ziel fokussiert angehst“, berichtet Cemre Can. Bei dem 27-jährigen Fotografen und Content-Manager, der selbst türkische Wurzeln hat, liefen die Fäden des Filmprojekts zusammen.
Egal, wer oder was du bist, du kannst es schaffen, wenn du dein ZielCemre CanFotograf und Content-Manager,
fokussiert angehst.
Pantomimisches Theaterstück
Ein Mosaikstein ist die „Geschichte des verlorenen Koffers“: Ein pantomimisches Theaterstück, das 15 Schüler einer Sprachvorbereitungsklasse der Sägefeldschule, die alle erst kurz in Deutschland sind, erarbeitet und aufgeführt haben. „Wiblinger Frauen radeln sich frei“ war das Motto eines Fahrrad-Kurses für Wiblingerinnen mit Migrationshintergrund. Dabei ging es nicht nur um verkehrssicheres Fahren, sondern auch „um die Stärkung des Selbstbewusstseins der Frauen und ihrer Unabhängigkeit“, sagt Isabel von Prollius.
Das Projekt „Gelebte Geschichte“, das Fluchterfahrungen von heute und früher verknüpft, beginnt Mitte/Ende September. Der Förderverein der sonderpädagogischen Wilhelm-Busch-Schule bringt dabei Jugendliche mit Senioren zusammen: als Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs, die selbst auch Vertreibung erlebt haben. Überdies wird die Historie des Sägefeld-Schulgeländes aufgearbeitet, das im Krieg als Ausbildungsstätte für Kindersoldaten diente.
Auch das „Open Air für Toleranz“, das am 10. August in Donaustetten über die Bühne ging und von 500 vornehmlich jungen Leuten besucht wurde, gehört zum Reigen der Demokratie-Projekte. Dort sind junge Ulmer Bands aufgetreten, und es wurde der beste Song für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet.
Elis Schmeer, die Leiterin der Koordinierungsstelle internationale Stadt Ulm, gehört mit zum Leitungsteam des Projekts, welches das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend heuer mit 100 000 Euro aus dem Topf des Programms „Demokratie leben“ unterstützt. „Wir haben die Aussicht, dass das Projekt in den Jahren 2020/21 verlängert wird“, sagt Schmeer.
Große Bandbreite von Ideen
Sie ist gerade dabei, die Folgeanträge zu schreiben. Bislang ist ein gutes Dutzend Ideen bewilligt, die Vereine, Schulen, Einzelpersonen und Initiativen entwickelt und auf den Weg gebracht haben. Ein besonderer Fokus liegt auf der Einbindung von Kindern und Jugendlichen. „Wir wollen erreichen, dass wir junge Menschen stark machen gegen (rechts-)extremes, rassistisches und menschenfeindliches Gedankengut“, sagt Isabel von Prollius.
Aber was wünschen sich die jungen Leute für ihr Leben in Wiblingen? Was braucht es für ein gutes Miteinander? Antworten auf diese Fragen soll das „Teen-Art-Projekt“ am Freitag, 20. September, ab 19 Uhr im Bürgerzentrum Tannenplatz geben. Die Idee stammt von Jugendlichen selbst, die Gymnasiastin Ronja Lamarte hat den Abend organisiert. Mit im Boot ist Nalan Schmidt vom Stadtjugendring, die die Jugend-Ideen des Demokratie-Projekts koordiniert.
An dem kreativen Abend wird weniger gesprochen. Vielmehr sollen die Ideen mit leuchtenden Acrylfarben auf große Leinwände gebracht werden. Dazu gibt es Musik und Softdrinks, damit eine lockere Begegnungsatmosphäre entsteht. Auch das ist durchaus im Sinn des Projekts, findet Nalan Schmidt: „Demokratie fängt an mit Begegnung und Dialog.“
Zahlen zum drittgrößten Stadtteil Ulms
Statistik Im Stadtteil Wiblingen (also Alt-Wiblingen und Tannenplatz) leben rund 16 000 Menschen; im Sozialraum Wiblingen, zu dem Gögglingen, Donaustetten und Unterweiler gehören, sind es insgesamt 23 000 Menschen. Es ist der drittgrößte Stadtteil Ulms, die Bewohner stammen aus über 70 Nationen. 40 Prozent der Wiblinger haben einen Migrationshintergrund, der durchschnittliche städtische Vergleichswert liegt bei 20 Prozent. Die Zahl der Sozialleistungsempfänger beträgt in Wiblingen 10,5 Prozent, im Bereich des Tannenplatzes sind es 14 Prozent – der Ulmer Stadt-Durchschnitt sind 8,7 Prozent.
Wohnen In Wiblingen liegen 50 Prozent aller städtischen Sozialwohnungen. UWS und Heimstätte bieten hier zahlreiche bezahlbare und auch großzügig geschnittene Wohnungen. Die Planungen für das gigantische Neubaugebiet im Gögglinger Wald fanden in den 1960er Jahren statt. Der erste Spatenstich am Tannenplatz war am 11. Juni 1970. Die Bebauung erfolgte in mehreren Abschnitten, zuletzt entstanden die Wohnblöcke im Wiblinger Hardt und beim Tannenhof, die 1988 fertig wurden.