Steinheim... ein Ortsteil unserer Stadt...

31. Juli 2019

Lesen SIE bitte die SWP..

Zugezogene wollen ihre Ruhe haben

Geselligkeit Der Bauernstammtisch im Neu-Ulmer Stadtteil Steinheim ist eine Institution. Diskutiert wird dort über Gott und die Welt, vor allem aber über das Leben im Ort. Von Bernd Rindle

G

rüß Gott, wo gehts denn hier zum Gasthaus Lamm?“ „Sie wollad sicher zom Baurastammtisch. Erscht nach rechts ond dann gradaus.“ Wenn einen das Navi schon verlässt, ist auf die Steinheimer Verlass. Dort wissen alle, was es freitags um die elfte Stunde geschlagen hat. Dann findet im einzigen verbliebenen Lokal im Ort der traditionelle Honorationen-Frühschoppen statt, der als „Bauernstammtisch“ bekannt ist. Bauern sitzen da in der gemütlichen Stube schon lange nicht mehr unter den vielen Geweihen an den Wänden zusammen, deren Träger der einstige Wirt alle selber geschossen haben soll. Allenfalls ein paar ehemalige und einer, der von der geselligen Runde als „Mondscheinfarmer“ bezeichnet wird, in Anlehnung an die amerikanischen Schwarzbrenner der Appalachen. Dafür trifft man aktuelle Neu-Ulmer Stadträte wie Rudolf Erne, aber auch frühere, Alfred Westermayer und Hans Unseld etwa.

Manchmal nachdenklich

Steinheim ist von einem
Bauerndorf zu einem Wohn- und Schlafort geworden.
Hans Unseld
ehemaliger Stadtrat

Die illustre Runde, zu der nicht nur Steinheimer Zugang haben, redet über den Alltag und die Dinge des Lebens, nicht bierernst, aber größtenteils alkoholfrei, meistens lustig und manchmal nachdenklich ob des Wandels und der Entwicklungen im Ort und in der Stadt. Steinheim selbst, sagt Hans Unseld, „ist von einem Bauerndorf zu einem Stadtteil und Wohn- und Schlafort geworden“. Und zwar von einem „reinen Bauerndorf“ wohlgemerkt.

Das hat sich nachhaltig geändert. „Früher gab es 42 Milchbauern, und jetzt gibt es nur noch einen“, weiß Unseld, weil „der andere vor 14 Tagen aufgehört hat.“ Dafür gibt es anderweitig Zuwachs in Form von Neubürgern. „Tendenz steigend“, heißt es am Stammtisch. „Bald gibt’s wieder ein neues Baugebiet.“ Nachdem unlängst „zwei bis drei Baugebiete“ ausgewiesen worden seien, „bekommen wir jetzt Probleme mit den Kindergartenplätzen.“

Bei Einfamilienhäusern dort geht unter einer
halben Million
nichts mehr.
Karl Bäuerle
Stammtischteilnehmer

Und an den Grundstückspreisen geht das auch nicht spurlos vorüber: „Jeden Monat kostet es mehr“, befürchtet die Gruppe, dass in Steinheim bald Burlafinger Verhältnisse herrschen könnten, wo der Quadratmeter „bereits 500 Euro kostet“, wie kolportiert wird. „Bei den Einfamilienhäusern dort geht unter einer halben Million nichts mehr“, sagt Karl Bäuerle.

Dennoch steht Steinheim als Wohnort nach wie vor bei jungen Familien im Kurs, weniger die Dorfgemeinschaft. „Von denen sieht man nichts, die haben mit dem Dorf wenig zu tun.“ Aller Integrationsbemühungen zum Trotz, die Hans Unseld als langjähriger Vereinsring-Vorsitzender unternommen hatte. Der hatte einst Werbeflyer für die sieben örtlichen Vereine, die heute noch aktiv sind, in den Neubaugebieten verteilt und auch Gespräche geführt. Vergebens: „Es hat sich nichts getan, die wollen einen billigen Bauplatz und ihre Ruhe.“

Vielleicht sind die auch nur selten zu sehen, weil sie ständig andernorts beim Einkaufen weilen. Denn Läden gibt’s in Steinheim keine mehr – weder einen Metzger, noch einen Bäcker oder Supermarkt. „Auch keinen Getränkehandel und keinen Bauern, von dem man früher noch Milch am Hof kaufen konnte.“ Einst sei noch ein Bäcker aus Straß mit seinem Wagen rumgefahren und habe neben Backwaren auch Joghurt und Käse dabei gehabt. Wer sich mit Kleidung, Lebensmitteln und anderen Waren versorgen möchte, muss sich nach Burlafingen oder Nersingen bemühen. Immerhin legt im Ort noch ein Friseur Hand an, damit die Frisur hält, und wer eines Kachelofens bedarf, wird beim Hersteller dort auch fündig.

Ansonsten gibt’s vor Ort Gottseidank noch den Wirt Anton Clement, der seine Gäste zuverlässig versorgt und auch Exotisches im Angebot hat, wie Zwetschgenschorle. Was gut schmeckt und bekömmlich sein soll. Damit hat es sich aber auch schon, wie Karl Bäuerle anmerkt: „Mehr Gsondheit muss ned sei.“ Auf die achtet auch Anton Clement, der außer für seine Stammgäste nicht mehr jeden Tag aufmacht: „Ich bin jetzt über 80 und hab’ genug gearbeitet.“ Donnerstags ist Ruhetag und nach dem Stammtisch ist „freitags und samstags auch nichts“.

Beim Stammtisch hält sich der Stress ohnehin in Grenzen, weil die Teilnehmer diszipliniert nach spätestens anderthalb Stunden wieder aufbrechen und an diesem Tag mit neun Leuten eine „schwache Besetzung“ zugegen ist. „Normalerweise sind wir zwischen zwölf und 15.“ Und wenn einer davon Geburtstag hat, bleibt bei Anton Clement die Küche kalt. Die Tradition verlangt es, dass jeder Betroffene „von zuhause etwas zum Essen mitbringen muss.“

Kein Arzt im Ort

Wer ärztliche Hilfe benötigt, sucht im Steinheim vergebens. Die nächsten Praxen sind in Holzheim und Nersingen. Wer es da eilig hat könnte Probleme am Steinheimer „Stachus“ bekommen, der abknickenden Vorfahrtsstraße Richtung Straß: „Vor allem morgens und während des Feierabendverkehrs geht da gar nichts mehr.“ Ansonsten kommen im Stadtteil kaum Beschwerden auf, zumindest seit das Dorf mit der Fertigstellung der Brücke nach Burlafingen wieder erreichbar ist. „Da waren wir ganz übel abgeschnitten“, erinnert sich Hans Unseld an die „unverhältnismäßig lange Bauzeit“.

Dafür ist die Verweildauer am Bauernstammtisch verhältnismäßig kurz. „Alfred, dein Taxi ist da“, ruft einer, als er Anneliese Westermayer im Türrahmen stehen sieht. Während sich der Ex-Stadtrat verabschiedet, bekommt er frotzelnd noch mit auf den Weg, dass er wohl mit seinem neuen Auto abgeholt werde. Was wiederum Helmut Frick auf den Plan ruft, der am Stammtisch für die Witze zuständig ist: „Kennsch den Onterschied zwischa am Mercedes ond am Kuflada?“ „Nein.“ „Dann hock amol nei.“

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