Zukunftstadt Ulm... wo bleibt NU ?
04. Oktober 2019
Lesen SIE bitte die SWP..
an nennt das wohl typisches Ulmer Understatement: Ulm gehört zu den weltweit wenigen Städten, die die innovative Funktechnologie Lorawan einsetzen – bloß dass es sich im Städtle selbst bis heute kaum herumgesprochen hat. Das von der Initiative Ulm Digital unter Leitung von Andreas Buchenscheit vor drei Jahren aufgebaute Netz ist gratis und steht jedem offen, vom Studenten über den Tüftler bis zum Unternehmer.
Lora-Was? Nun, die Abkürzung steht für Long Range Wide Area Network. Das Netzwerk überträgt zwar nur sehr kleine Datenmengen, hat aber eine hohe Reichweite und einen extrem geringen Energieverbrauch. Eine Handvoll Antennen reicht aus aus, um das Stadtgebiet abzudecken.
Volle Tonne melden
Wozu das gut sein soll? Lorawan schafft die Basis fürs so genannte „Internet der Dinge“, in dem Sensoren etwa Daten von Stromzählern oder Pegelständen an Nutzer senden. Vieles mehr wird da in den kommenden Jahren möglich sein: Sensoren, die in Echtzeit anzeigen, wenn ein Parkplatz frei wird. Sensoren, die den Entsorgungsbetrieben melden, ob die Mülltonne voll ist. Sensoren in Ziegelsteinen, die Strukturschäden an Gebäuden melden. Brandmeldesensoren im Wald, in Zeiten von Klimaerwärmung und zunehmender Trockenheit sicherlich nicht die dümmste Idee.
Im nächsten Jahr soll Lorawan in Ulm für jeden sichtbar werden – auch, um bei den Bürgern Berührungsängste mit der neuen Technologie abzubauen. Zu diesem Zweck hatte die Stadt im Sommer einen Innovationswettbewerb ausgeschrieben, PR in eigener Sache sozusagen.
Bei der Veranstaltung „Ulm macht Zukunft“ am Dienstagabend im gut gefüllten Roxy – einem Mix aus Info- und Unterhaltungs-Show – gab eine Jury den Wettbewerbssieger bekannt: Gewonnen hat ein Konzept zum Aufbau und Betrieb eines „Lorawan-Schaugartens“ am Weinhof. Die Gesellschaft „Ulmer Citysens“, hinter der neben der SWU-Tochter Telenet die IT-Unternehmen Excellent Solutions, System Zwo und Cortex Media stecken, wird das Projekt umsetzen. In unmittelbarer Nähe des Verschwörhauses wird man vom Frühsommer 2020 an auf einfache und praktische Weise sehen können, welche Einsatzmöglichkeiten es für Sensoren gibt.
Selbstbestimmt bleiben
Mit dem bunten Abend im Roxy hat die Stadt die finale Phase des bundesweiten Wettbewerbs „Zukunftsstadt 2030“ eingeleitet, bei dem sich Ulm als eine von acht Kommunen bundesweit und als einzige Stadt in Süddeutschland durchgesetzt hatte (wir berichteten). Eine Million Euro gibt es für das auf drei Jahre angesetzte Zukunftsstadt-Projekt vom Bund, eine weitere Million legt die Kommune drauf. Ziel des Ulmer Ansatzes ist es laut Sabine Meigel, Geschäftsführerin der Digitalen Agenda Ulm, „die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammenzubringen“. Für Oberbürgermeister Gunter Czisch geht es auch um einen pädagogischen Aspekt: „Wir wollen die Menschen aufklären, wie sie mit der neuen Welt umgehen können.“ Zukunftsstadt, das bedeutet für Czisch zudem Erhalt kommunaler Selbstbestimmung auch im Digitalzeitalter. „Wir wollen unsere eigenen Daten selber in der Hand haben und nicht Konzernen überlassen.“
Viele Partner
Abgesehen vom Lorawan-Schaugarten umfasst das Zukunftsstadt-Konzept weitere Projekte mit ganz unterschiedlichen Partnern. Ein Team der Technischen Hochschule etwa nimmt sich des Themas Bike-Sharing mit digitaler Unterstützung an, die auf Geriatrie spezialisierte Bethesda-Klinik wird eine Musterwohnung einrichten und dort digitale Technologien testen, die pflegebedürftigen Menschen das Leben erleichtern, und das Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität bietet Bildungsprojekte rund um die Digitalisierung an.
Den unterhaltsamen und als „Höhepunkt“ angekündigten Final-Teil des Abends bestritt die Kölner Schauspielerin und Moderatorin Shary Reeves, die viele vor allem aus der ARD-Reihe „Wissen macht Ah!“ kennen dürften. Ihre weitgehend aus Allgemeinplätzen bestehenden und vor allem viel zu langen Ausführungen rund ums Thema Digitalisierung enttäuschten allerdings.
Nachhaltigkeit digital mitgestalten
Erste Phase Das vom Bundesbildungsministerium initiierte Projekt Zukunftsstadt 2030 startete 2015. Ulm wurde damals als eine von 51 Kommunen im Wettbewerb „Zukunftsstadt 2030“ für die erste Phase ausgewählt. 186 Kommunen hatten sich beworben. Ziel des Projektes in Ulm war es, sich als Stadtgesellschaft mit Möglichkeiten und Veränderungen zu beschäftigen, die die Digitalisierung mit sich bringt.
Zweite Phase Von Januar 2017 bis Ende Juni 2018 setzte die Stadt Ulm diese Aktivitäten als eine von 23 ausgewählten Städten im Rahmen der zweiten Projektphase fort. In Workshops und einer Bürgerwerkstatt wurden die Ideen zur Frage „Wie kann die Stadt Ulm mit digitalen Mitteln lebenswerter und nachhaltiger werden?“ in sechs Themenfeldern konkretisiert.
Dritte Phase Ende 2018 wurde Ulm von einer Jury als eine von acht Zukunftsstädten für Phase drei des Wettbewerbs ausgewählt. Das Zwei-Millionen-Euro-Projekt, davon eine Million Euro Bundesmittel, startete im Mai 2019. Es ist als Stadtentwicklungsprojekt organisiert und bei der Geschäftsstelle Digitale Agenda verankert. Ulm hatte mit einem Konzept für eine nachhaltige Stadtentwicklung unter dem Motto „Nachhaltigkeit digital mitgestalten – Internet der Dinge für alle“ überzeugt.