Energiewende im Gebäudebestand... es geht zu langsam..
14. September 2019
Lesen SIE bitte die SWP..
Gut wohnenund Geld sparen
Klimaschutz Die Deutschen verbrauchen zu viel Energie beim Wohnen. Dabei lassen sich Gebäude rasch und hochwertig dämmen. Der Staat muss dafür bessere Anreize setzen. Von Martin Hofmann
ie Mieter bleiben in ihren Wohnungen, die Umbauzeit beträgt wenige Wochen. Dann kann ein Gebäude so gut gedämmt sein, dass die Heizkosten weniger als ein Zehntel betragen. Voraussetzung: „Die Sanierung muss wirklich gut geplant sein“, sagt Josef Ambros. Holz ist der Werkstoff seiner Wahl. Und wofür der Holzbauunternehmer aus Hopferau bei Füssen in den 1980er Jahren noch belächelt wurde, entwickelt sich zum Baustoff der Zukunft.
Warum? Der nachwachsende Rohstoff stabilisiert das Klima doppelt: Bauholz speichert das Treibhausgas Kohlendioxid: Ein Kubikmeter bindet eine Tonne CO2. Nachgepflanzte Bäume entziehen der Atmosphäre CO2 – 80 Buchen lagern pro Jahr rund eine Tonne ein. Holz als Baumaterial lässt sich weitgehend wiederverwenden. Das Gebäude wird nicht luftdicht verpackt. So entsteht ein angenehmes Raumklima.
Josef Ambros‘ Modellprojekt, ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen, steht in seiner Heimatgemeinde. Saniert hat er es vor 12 Jahren. Da er das Dachgeschoss erhöhte, blieben nur die Mauern aus Bimsstein stehen. Auf sie setzte er in seinem Betrieb vorgefertigte, wärmegedämmte, selbsttragende Holzrahmenelemente. Dazu kamen neue dreifach verglaste Holzfenster, ein Vorbau in Südrichtung mit großen Glasflächen und ein stark gedämmtes Dach. Solarkollektoren liefern Warmwasser und unterstützen die Heizung. Bei Bedarf springt ein zentraler Holzpelletkessel an. Jede Wohnung ist zudem mit einer Lüftungsanlage ausgestattet. Bauzeit von Ostern bis Pfingsten.
Die Bilanz: Der Einsatz an Primärenergie ist von 250 auf 21,4 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr geschrumpft. Die Holzbauelemente zur energetischen Sanierung sind im Rahmen eines EU-Projekts als ökologische Alternative zu üblichen Wärmedämmverbundsystem (etwa mit Styropor) mit den Professoren Stefan Winter und Hermann Kaufmann von der TU München entwickelt worden.
Mit dem System hat Ambros inzwischen Schulen in Bayern, im Berliner Märkischen Viertel sowie Mehrfamilienhäuser in und um München auf Passivhaus-Standard saniert. „Wir führen beim Klimaschutz die falsche Debatte“, sagt er. „Die Zementherstellung verursacht 7 Prozent der globalen CO2-Emissionen.“ Der Flugverkehr nur 2,5 Prozent.
Trotz solcher Innovationen kommt die Energiewende im Gebäudesektor nicht voran. Dort verbrauchen die Deutschen 35 Prozent der Endenergie und erzeugen 30 Prozent der Treibhausgasemissionen. 73 Milliarden Euro geben sie pro Jahr für Raumwärme, Warmwasser, Kühlung und Beleuchtung aus. Die Bundesregierung verfehlt ihr Ziel bei weitem, 20 Prozent dieser Energie bis 2020 einzusparen. Bisher hat sie nur die Hälfte erreicht. Pro Jahr werden seit 2005 nur 0,9 bis 1 Prozent der Wohnungen energetisch komplett oder teilweise saniert. Notwendig wäre die doppelte Rate, um das erklärte Ziel eines fast treibhausgasneutralen Gebäudebestandes bis 2050 zu erreichen. Mindestens 21 Millionen Wohneinheiten in vor 1979 errichteten Altbauten sind gar nicht oder schlecht gedämmt.
Was das Erwärmen von Häusern und Wasser anbelangt, werden pro Jahr 3 Prozent der Anlagen ersetzt, zu 85 Prozent mit Geräten für fossile Brennstoffe. Nur 15 Prozent der Hausbesitzer greifen zu Alternativen wie Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme oder Biomasse. Wasser in Gebäuden vornehmlich durch Solarenergie erhitzen zu lassen, ist für weniger als ein Prozent der Bürger eine Option. Fazit des Darmstädter Instituts für Wohnen und Umwelt – es überprüft den Sanierungsprozess: „Der für den Klimaschutz notwendige Umbau der Wärmeversorgung findet aktuell kaum statt.“
Umweltverbände werfen der Bundesregierung deshalb völliges Versagen vor. Architekten, Energieberater und die Baubranche beklagen einen zehnjährigen Stillstand. Mit dem geplanten Gebäudeenergiegesetz werde dieser noch verlängert. Rund 40 Verbände fordern, die Sanierungsrate auf mehr als 2 Prozent zu steigern. Dies gelinge vor allem durch steuerliche Förderung – Abzug von der Steuerschuld – über mindestens zehn Jahre.
Seit 2008 läuft die Debatte über diesen Vorschlag. Ohne Ergebnis. Bund und Länder streiten darüber, wer ihre Einnahmeverluste ausgleicht. Obwohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Änderung mehrfach befürwortet hat und sie im aktuellen schwarz-roten Koalitionsvertrag steht, sieht der vom Bundeskabinett gebilligte Haushaltsplan für 2020 dafür keine Mittel vor. Ganz vom Tisch ist die Idee aber noch nicht. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) hat sie ins Klimakabinett eingebracht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterstützt sie. Die Förderung schafft Arbeit und löst hohe Investitionen aus, die auch dem Fiskus mehr Geld einbringt, als er verliert.