Digitale Welt... man denkt kaum dran.. sie verbraucht Energie..

27. August 2019

Lesen SI:e bitte in der SWP:.

7.08.2019 ULM und NEU^-ULM

„Digitalisierung muss kein Stromfresser sein“

Energieverbrauch Milliarden Menschen surfen im Netz. Internet und wachsender Datenhunger treiben Stromkosten und CO2-Emissionen
in die Höhe. Florian Held  von der Uni Ulm glaubt, dass es nicht ganz so schlimm kommt, wie viele befürchten. Von Chistoph Mayer

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as Internet ist ein gewaltiger Stromfresser und die Welt wird von Tag zu Tag digitaler. Sind Rechenzentren und Server-Farmen als Herzkammern der Datenverwaltung Klimakiller? Ist Daddeln auf dem Smartphone ein Umweltfrevel? Einer, der sich mit diesem Thema beschäftigt, ist Florian Held, der als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Uni-Institut für Organisation und Management von Informationssystemen unter anderem über Energieeffizienz in Rechensystemen forscht.

Sauber und smart – so wird uns die Digitalisierung verkauft. Stimmt das?

Beim Vergleich von Print und E-Paper schneidet die gedruckte Zeitung schlechter ab.

Florian Held: Ja und Nein. Durch die Digitalisierung wird die Energie nicht grüner. Es sind schließlich zwei verschiedene Paar Schuhe, wie man Energie gewinnt und wie man seine IT betreibt. Aber IT kann durch intelligente Konzepte dafür sorgen, dass Ressourcen geschont werden und so weniger Energie verbraucht wird. Natürlich hat die Medaille zwei Seiten. Jedes IT-Gerät verbraucht Strom. Deshalb besteht die große Herausforderung darin, eine intelligente digitale Infrastruktur so aufzubauen, die auch wirklich smart funktioniert und selber wenig Ressourcen verbraucht. So dass man durch die Funktionen dieser digitalen Systeme viel Energie einsparen kann.

Zum Beispiel?

Beispielsweise durch intelligente Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing oder kluge Verkehrsleitsysteme. Das alles soll im Idealfall dazu führen, dass weniger Fahrzeuge auf der Straße sind, beziehungsweise: dass die Fahrzeuge mehr ausgelastet sind und nicht in jedem zweiten Auto nur eine Person sitzt, wie es heute oft der Fall ist.

Und bei smarten Kühlschränken und anderen vernetzten Haushaltsgeräten? Das ist doch nur energieaufwändiger Schnickschnack.

Nicht, wenn es um eine intelligente Steuerung von Haushaltsgeräten geht, die etwa nur dann Energie verbrauchen, wenn sie auch benötigt werden oder dem Bewohner Arbeit abnehmen.

Seit Menschengedenken hat jeder technische Fortschritt immer auch zu steigendem Ressourcenverbrauch geführt. Gibt es Gründe anzunehmen, dass dieses Prinzip bei der digitalen Revolution durchbrochen wird?

Bei den vorausgehenden industriellen Revolutionen war es immer so, dass dadurch die Produktion erhöht wurde. Das Ergebnis war stets ein Mehr an Wohlstand. Bei der digitalen Revolution läuft es anders herum. Es geht darum, Prozesse effizienter zu machen, Ressourcen zu schonen und den vorhandenen Wohlstand besser zu verteilen. Digitalisierung muss deshalb nicht zwangsläufig ein Stromfresser sein  – so zumindest die optimistische Sichtweise.

20 Minuten Video-Streaming auf dem Smartphone verbraucht so viel Energie wie . . . ?

Man kommt auf einen Wert von etwa 15 Wattstunden, das entspricht etwa einer einminütigen Nutzung einer Mikrowelle.

Gibt es Zahlen zum aktuellen digitalen Energieverbrauch – deutschland- und weltweit?

In Deutschland liegt der jährliche digitale Energieverbrauch nach neuesten Studien bei 45 bis 50 Terawattstunden, das sind 45 bis 50 Milliarden Kilowattstunden. Weltweit bewegen wir uns im Bereich von etwa 1500 Terawattstunden.

Wie viele Kraftwerke braucht man dazu?

Auf Deutschland bezogen entspricht das der Leistung von vier mittelgroßen Atomkraftwerken. Weltweit sind es etwa 140 Atomkraftwerke.

Schon jetzt verdoppeln sich die digitalen Dienstleistungen alle zwei Jahre. Wie stark wird der Bedarf an Rechenleistung – und damit an Energie – in den kommenden Jahrzehnten zunehmen?

Prognosen sind schwer. Fakt ist aber, dass der Energieverbrauch der Informations- und Kommunikationstechnologie seit 2010 offenbar rückläufig ist. In Deutschland ging er binnen neun Jahren von 55 auf 45 Terawattstunden zurück.

Woran liegt das?

Zum einen hat sich die IT-Landschaft in den vergangenen Jahren stark verändert. Beispielsweise haben viele mittelständische Unternehmen ihre kleinen Serverräume konsolidiert, in große Rechenzentren gepackt oder in die Cloud geschoben. Zudem werden IT-Geräte immer energieeffizienter, das ist seit etwa 60 Jahren ein kontinuierlicher Prozess. Drittens trat 2009 EU-weit eine Öko-Design-Richtlinie in Kraft, die IT-Geräteherstellern gewisse Energieeffizienzanforderungen auferlegt. All das hat dazu beigetragen, dass der Gesamtenergieverbrauch rückläufig war.

Wobei natürlich auch die Herstellung immer neuer Geräte immens viel Energie kostet . . .

. . . klar. Wenn man es genau nimmt, muss man auch da hinschauen, etwa aus welchen chemischen Elementen die Schaltkreise in den Geräten bestehen. Beispielsweise aus seltenen Erden, die im schlimmsten Fall von Kindern in Entwicklungsländern aus Minen gefördert werden. Wenn man das Gesamtbild betrachtet, wird die Sache wirklich komplex. Aber um noch einmal auf die sehr schwierigen Zukunftsprognosen zurückzukommen. Man geht für 2025 in Deutschland von einem moderaten Anstieg von etwa drei Terawattstunden aus.

Welche Rolle spielt der neue Mobilfunkstandard 5G für den Energieverbrauch?

5G benutzt höherfrequente Radiowellen als der aktuelle 4G-Standard. Das erfordert, dass man die Sendemasten viel dichter baut. Wenn man 5G flächendeckend umsetzen will, muss man etwa alle zwei Kilometer einen Sendemast aufstellen. Der Betrieb dieser Infrastruktur erfordert natürlich auch einen nicht zu unterschätzenden Energieanteil.

Beim Endnutzer hält sich der Stromverbrauch in Grenzen, erst durch die Summe der Nutzer kommt ordentlich was zusammen. Die meiste Energie verbrauchen die Serverfarmen und Rechenzentren. Wer zahlt diese Energiekosten letztlich?

In Rechenzentren sind oft viele große Web-Applikationen beherbergt, die sich durch Werbung refinanzieren. Letztlich zahlt am Ende des Tages immer der Endverbraucher. Entweder als Online-Käufer oder dadurch, dass er seine Daten für eine weitere Nutzung wie etwa gezielte Werbung oder Kaufkraftanalysen bereitstellt.

Was unternimmt die IT-Branche, um den Energiehunger effizienter zu gestalten?

Das vom Land Baden-Württemberg ins Leben gerufene Projekt EcoRZ, in dem ich mitarbeite, erforscht etwa effiziente Technologien, die in Rechenzentren verwendet werden können. Da geht es auf der einen Seite um die Gebäudeinfrastruktur, Stichwort Kühlung. In kälteren Monaten kann man beispielsweise die Außenluft zur Kühlung der Server benutzen. Auf der IT-Seite gibt es Möglichkeiten zur so genannten Virtualisierung: Man platziert mehrere virtuelle Server auf einem echten, physikalischen Server, lastet diesen in der Folge mehr aus und spart somit Energie.

Und was unternimmt die Politik?

Durch das erneuerbare  Energiengesetz werden Rechenzentrumsbetreiber motiviert, auf grünen Strom zu setzen. Andererseits: Durch die EEG-Umlage fallen bei Rechenzentrenbetreibern in Deutschland 18 Cent pro Kilowattstunde an, in Frankreich etwa sind es nur 9 Cent. Das ist durchaus für die Betreiber in Deutschland ein Standortnachteil.

Zeitung kaufen oder News im Netz lesen: Was ist umweltfreundlicher?

Das tausendfache Drucken einer Zeitung ist wesentlich energieaufwendiger als die Bereitstellung eines Artikels auf einen Server. Da gewinnt also schon mal das E-Paper. Was den Auslieferungsprozess angeht, verliert die Zeitung ebenso, sie muss ja individuell zugestellt werden. Wenn es um den reinen Lesevorgang geht, ist allerdings die Print-Ausgabe Sieger. Denn das Lesen einer Papierzeitung verbraucht keinen Strom. Aber auch da sind mit geeigneten Geräten wie e-Readern energiesparende Möglichkeiten vorhanden.

Was die Uni Ulm verbraucht

Server Die Leistungsaufnahme der zentralen Server der Universität Ulm in der Staudingerstraße liegt, je nach Belastung, bei etwa 250 Kilowatt. Dazu kommen noch Netzwerkkomponenten sowie  andere Server, die über den Campus verteilt betrieben werden. Deren Leistungsaufnahme kann nach Mitteilung von Thomas Nau, stellvertretender Leiter des Kommunikations- und Informationszentrums der Uni Ulm (KIZ), grob mit etwa
100 Kilowatt abgeschätzt werden.

Vergleich Zur Veranschaulichung folgender Vergleich: Einem durchschnittlicher Vierpersonenhaushalt im Eigenheim wird meist ein jährlicher Verbrauch von 4000 bis 4500 Kilowattstunden im Jahr zugeschrieben. Umgerechnet heißt das: Die zentrale IT der Uni hat etwa die Leistungsaufnahme von 700 Haushalten.

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