Kongress über moderne Batterien in Ulm...

08. Oktober 2019

Lesen SIE bitte die SWP...

Batterieforscher pilgern nach Ulm

Kongress Experten aus aller Welt beraten im CCU über E-Mobilität. Die politische Standortentscheidung für eine Forschungsfabrik in Münster steht nicht auf der Tagesordnung – ist aber dennoch Thema. Von Christoph Mayer

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ehr als 370 führende Batterie-Experten aus 30 Staaten tagen bis Mittwoch im Congress Centrum Ulm. Es geht um die Lebensdauer und Sicherheit moderner Lithium-Ionen-Batterien für Autos. Der seit Monaten andauernde politische Streit um den Standort einer mit 500 Millionen Euro geförderten Batterieforschungsfabrik des Bundes, spiele bei einer internationalen Tagung wie dieser keine Rolle, sagt Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens. Sie hat gemeinsam mit Prof. Stefano Passerini vom Helmholtz Institut Ulm (HIU) die Tagungsleitung inne. Wie berichtet, war das von einem Expertengremium favorisierte Ulm überraschenderweise nicht zum Zuge gekommen und die aus der Nähe von Münster stammende Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte Münster den Vorzug gegeben.

Trotzdem ist die versammelte regionale wie überregionale Presse zum Auftakt vor allem an diesem Thema interessiert. Hat Ulm zu Unrecht den Kürzeren gezogen? Wohlfahrt-Mehrens, Leiterin des Ulmer Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) und damit selbst eine der Leidtragenden der Entscheidung des Bundes, übt sich in Diplomatie. Sie wolle dies nicht kommentieren, „weil ich die Originaldokumente nicht kenne“. Allerdings, so räumt sie ein, habe es im Verfahren „an der notwendigen Transparenz gefehlt“. Der Aufbau einer Batterieproduktion könne in Deutschland nur gelingen, „wenn auf nationaler Ebene alle eng zusammen arbeiten. Ulm gehört da auf jeden Fall dazu.“

Ängste vor zu wenig Reichweite sind unbegründet.
Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens
Batterieforscherin

Auch wenn China in der Batteriezellfertigung mittlerweile führend sei, haben Europa und Deutschland den Anschluss nicht verpasst, sagt die Chemikerin. Die am hiesigen  Automobilstandort über Jahre vorherrschende Denkweise, man könne Batterien einfach dazukaufen, gehöre der Vergangenheit an. „Wir haben forschungsmäßig stark aufgebaut. Was wir jetzt noch schaffen müssen ist der Schritt in die Zellproduktion.“ Dabei könne Ulm einen wesentlichen Beitrag leisten, immerhin gebe es am HIU seit fünf Jahren eine kleine Forschungsproduktionslinie. Eine Gefahr des Zeitverzugs sieht Wohlfahrt-Mehrens durch die Entscheidung für Münster nicht – obwohl dort viele Strukturen erst aufgebaut werden müssen. „Forschung muss heute nicht mehr an einem einzigen Ort stattfinden. Man kann Themen auch standortübergreifend angehen.“

Obwohl mittlerweile bereits vielfach an Alternativen zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien geforscht wird – speziell an der Uni Ulm gibt es dazu ein Exzellenzcluster – ist Wohlfahrt-Mehrens davon überzeugt, dass die Technologie noch nicht ausgereizt ist. „Es wird keine sprunghaften Verbesserungen geben, aber in puncto Reichweite und Ladeschnelligkeit werden wir in den nächsten Jahren sicher noch Verbesserungen erzielen.“ Gleichwohl gehe es nicht ohne neue Materialansätze, so die Forscherin: zum Beispiel Silizium-Kohlenstoff-Komposite oder auch Natrium-Ionen-Batterien.

Warum die Batterietechnologie nur so schleppend in Gang kommt und sich auch beim Verbraucher nicht durchsetzen will? Wohlfahrt-Mehrens macht neben anderen Faktoren auch „die Angst des Kunden“ dafür verantwortlich. Immer noch mangele es an der Einsicht, dass Autos de facto die meiste Zeit des Tages herumstehen und nicht bewegt werden. „Mobilität bedeutet vor allem einen Bedarf auf kurzen Strecken. Die Reichweitenängste sind deshalb vielfach unbegründet.“ Sie sei allerdings optimistisch, dass sich diese Sicht in den nächsten Jahren ändern werde. Die vorsichtige Prognose der Wissenschaftlerin: In 20 bis 30 Jahren werden in Deutschland mehr als die Hälfte der Autos auf den Straßen nicht mehr von Verbrennungsmotoren angetrieben.

Hilde Mattheis: „Hinterzimmerbeschluss mit dubiosen Rechtfertigungen“

Erklärung „Ulm hatte wohl keine faire Chance“ – zu diesem Schluss kommt die Ulmer Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis (SPD) und fordert eine „transparente Aufklärung in der Batterieforschungs-Affäre“. Hintergrund sind in den vergangenen Wochen in der Presse erschienene Artikel, denen zufolge die Entscheidung über den Standort des Batterieforschungszentrums bereits im Vorfeld vom Bundesforschungsministerium massiv beeinflusst worden sein soll (wir berichteten). „Ich frage mich mittlerweile, ob Ulm und die anderen Standorte jemals eine Chance gehabt haben, bei der Vergabe berücksichtigt zu werden“, schreibt Mattheis.

Bevorteilung Das Bild, welches gezeichnet werde, zeige „von Anfang an eine üble Bevorteilung des Standorts in Münster“. Experten, Gründerkommission und Industrievertreter seien demnach ausgebootet, weil sie nicht zum gewünschten Ergebnis kamen. „Was folgte, war ein Hinterzimmerbeschluss der Minister mit dubiosen Rechtfertigungen für die Öffentlichkeit.“

Aufklärung Eingreifen durch den Bundestag sei nun unumgänglich geworden, dieser müsse die Ministerin dringend erneut vorladen und dazu befragen, schlussfolgert Hilde Mattheis. „Ich fordere weiterhin eine transparente Aufklärung des gesamten Sachverhalts und sollten sich die geäußerten Vorwürfe erhärten, muss der Zuschlag für Münster zurückgezogen und der Vergabeprozess wieder auf null gestellt werden. Zudem dürften personelle Konsequenzen nicht ausbleiben.“

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